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Brügge

Persiuskirche um 1900Das Dorf Brügge wird sicher seit seiner Gründung eine Kirche besessen haben. Quellenkundlich kann ein Fachwerkbau von 1697 nachgewiesen werden. Turm und Westgiebel wurden wegen Baumängeln im Jahre 1810 mit einer Bretterschalung versehen. In den darauffolgenden Jahren verfiel die Kirche immer mehr, sodass eine neue Lösung gefunden werden musste.

 

In der etwa 1840 begonnenen Brügger Schul- und Ortschronik ist die Entstehung der heutigen Dorfkirche dokumentiert. Der sich stetig verschlechternde Bauzustand der alten Fachwerkkirche sowie der durch die ansässigen Großbauern geäußerte Wunsch nach einem neuen repräsentativen Kirchenbau veranlasste den damaligen Patronatsherrn Otto August Alexander von Rohr 1862 Entwürfe für einen Neubau in Auftrag zu geben. Zwei Perleberger Architekten und der zu dieser Zeit noch nicht bekannte Berliner Architekt Reinhold Persius reichten ihre Zeichnungen ein.

 

Am 30. September 1862 legte Persius drei Zeichnungen vor, von denen eine die allgemeine Zustimmung des Patrons von Rohr zu Meyenburg, des Predigers Nigrinius aus Rohlsdorf, des Maurermeisters Kohlmetz aus Pritzwalk und der in Brügge sesshaften Großbauern fand. Der einstimmige Beschluss zum Kirchenbau mit Baubeginn im Frühjahr 1864 wurde am 3. Januar 1863 vom Kyritzer Landrat Paul Persius, einem Bruder des Architekten, bestätigt.


Aus Reinhold Persius‘ Entwurfszeichnung des Brügger Kirchenbaus, der als sein Erstwerk anzusehen ist, entstand ab 1864 in zweijähriger Bautätigkeit ein qualitätsvoller neogotischer Bau auf dem leicht erhöhten baumbestandenen Anger in der Ortsmitte des Rundlings. Die Ausführung übernahm der regional bekannte Maurermeister Kohlmetz aus Pritzwalk. Zuvor wurde die baufällige Brügger Fachwerkkirche abgebrochen und Teile des Kircheninventars ausgelagert.


Bei der heutigen Dorfkirche handelt es sich um einen repräsentativen Feldsteinbau mit eingezogener polygonaler Apsis und einem hochaufragenden Westturm. Die Gebäudekanten sind mit einer Ziegeleinfassung versehen, in deren Verlängerung sich fialartige Türmchen erheben. Zur Nord- und Südseite der Kirche öffnen sich, ebenso wie an der Apsis, drei Lanzettfenster mit abgetreppten Ziegellaibungen. Auf Sockel- und Fenstersohlbankhöhe umläuft das gesamte Gebäude ein Ziegelgesims.

 

Der in Feldstein ausgeführte quadratische Turmunterbau ragt bis zum Dachfirst des Kirchengebäudes und ist ebenfalls von fialbekrönten Ziegeleinfassungen gerahmt. An der Westseite des Turms liegt das gestufte Eingangsportal. Über dem Turmunterbau setzt der in Ziegeln ausgeführte oktogonale Turmschaft auf.

 

Zahnkranzgesimse zieren die Traufkanten. Der Turmhelm und das Satteldach des Kirchenschiffes sind mit einer Schieferdeckung versehen. Die Mauerfugen sind leicht rosa abgetönt.

 

In das Kircheninnere führt eine zweiflüglige kassettierte Holztür, über der sich eine holzgerahmte spitzbogige Lichtöffnung befindet. Der Innenraum der Saalkirche wird über einen kleinen verputzten Vorraum erschlossen. Der Fußboden besteht aus naturroten Ziegeln und die Deckenkonstruktion zeigt sich als offener mit Holz verkleideter Dachraum, dessen hölzernes Hängewerk Maßwerk mit genasten Lanzettbögen aufweist.

 

Die gesamte Westseite nimmt die hölzerne Empore mit kassettierter Brüstung ein. Auf der Empore hat sich eine überaus seltene Heerwagen-Orgel erhalten, wie beispielsweise auch in Uichteritz. 1866 ließen sich die Brügger mit Erlaubnis des Patronatsherrn von Rohr ein Kostenangebot von der Wittstocker Orgelbaufirma Friedrich Hermann Lütkemüller für eine neue Orgel erstellen. Da diese nach Fertigstellung des Kirchenneubaus zu teuer war, wurde erst 1868 ein weiteres Angebot der Orgelbaufirma Wilhelm Heerwagen aus Klosterhäseler bei Naumburg eingeholt. Nach Verhandlungen mit Heerwagen wurde der Auftrag zum Orgelbau erteilt und 1870 konnte das Instrument mit Schleifladen und mechanischer Trakur feierlich eingeweiht werden.

 

Von der weiteren Ausstattung sind Gestühl, Kanzel, Taufstein, zwei Gedenktafeln für Gefallene des Deutsch-Dänischen Krieges 1866 und drei Glocken (zwei aus dem Jahr 1927, eine ältere von 1574) erhalten.

 

Überaus interessant ist die handwerkliche Arbeit der Kanzel und des Taufsteins. Diese wurden 1866 von dem aus Potsdam stammenden königlich preußischen Bildhauer und Stuckateur Friedrich Wilhelm Koch (1815-1889), der vornehmlich für Friedrich Wilhelm IV. tätig war, aus Portlandzement gefertigt. Koch schuf auch den leider verschollenen Altaraufsatz.

 

Seltenheitswert hat auch ein leider stark beschädigtes halbplastisches Gipsepitaph zu Ehren der Gefallenen des Ersten Weltkrieges aus dem Kirchenspiel Brügge, das bis vor einigen Jahren noch an der rechten Ostwand des Kirchenschiffes stand. Neben dem gerahmten Eisernen Kreuz mit Stiftungsjahr 1914 und der Initialen von Wilhelm II. ist ein Teil der handgemalten Gefallenenliste zu sehen.


Der Kirchenbau wurde ab 1866 ununterbrochen bis 1945 genutzt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die Brügger Großbauern enteignet, weshalb sie in den 1950er Jahren in den westlichen Teil Deutschlands übersiedelten. Eine Kirchennutzung erfolgte nur noch eingeschränkt. An eine Bauunterhaltung war in dieser Zeit nicht zu denken. Es wurde sogar über einen Abbruch gesprochen, der glücklicherweise nicht in Angriff genommen wurde.

 

Erst mit der Deutschen Wiedervereinigung entwickelte sich in Brügge langsam wieder eine Initiative zum Kirchenerhalt. Federführend dabei war Hans-Jürgen Meumann, der mit seiner Frau Ellen 1993 an den Ort zurückkehrte, den er 40 Jahre zuvor aus politischen Gründen verließ.

 

Meumann stand damals erschüttert vor dem ländlichen Sakralbau, dessen Anblick mehr als bedrückend war: ein umgeworfenes Taufbecken, ein windschlüpfriges Schieferdach, eine zerstörte Orgel. Durch eine umfangreiche Förderung, für die sich Meumann mit anderen Dorfbewohnern bei Kreis und Land eingesetzt hatte, konnte 1997 die Turmsanierung realisiert werden.


Für diesen Einsatz erhielt er im November 2012 die Ehrenmitgliedschaft des Fördervereins Persiuskirche Brügge e.V.

                                               
Jedoch währte diese Aktivität nur kurz, da sich die Initiatoren aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen mussten. Die Brügger Kirche verfiel zusehends, wurde ruinös und stand 2006 kurz vor dem Totalverlust. Überall lagen Schuttberge aus
Dachschindeln und Glasscherben, zerbrochene Bänke, herausgebrochene Teile der Kanzel-Dekoration und vieles war verdeckt durch Taubenkot. Die Fenster ohne Verglasung trugen dazu bei, dass Wind und Regen ungeschützt ins Kircheninnere dringen konnten. Mit der Zeit wurden die Dachbalken durch die eingedrungene Feuchtigkeit stark beschädigt. Zudem hatten sich Diebe an der Orgel zu schaffen gemacht und sämtliche Metallpfeifen gestohlen.

 

In den folgenden Jahren bildete sich der Förderverein Persiuskirche Brügge e.V. und setzte sich stark für den Erhalt der Kirche ein. Mit viel Tatendrang, Engagement und dem Mitwirken zahlreicher Helfer und Spender konnte die Kirche nicht nur erhalten, sondern inzwischen auch saniert und wiederbelebt werden.