Offener Brief an den Bundesinnenminister
Offener Brief
an den Bundesinnenminister Thomas de Maizie`re von Pfarrer Johannes Kölbel, Beauftragter für die Flüchtlingsfragen im Ev.Kirchenkreis Prignitz
Sehr geehrter Herr Bundesinnenminister,
Sie treten dafür ein, dass es auch nach dem März 2018 für Geflüchtete mit subsidiärem Schutzstatus (z.B.Kriegsflüchtlinge aus Syrien) keine Möglichkeit geben soll, den Nachzug von in Krisengebieten oder in Flüchtlingslagern zurückgebliebenen Familienangehörigen, zu beantragen. Ich halte diese Position aus politischer und christlicher Sicht für falsch und bitte Sie, diese zu überdenken.
Ich stimme der Einschätzung der Präsidentin des Evangelischen Hilfswerks "Brot für die Welt" Cornelia Füllkrug-Weitzel zu, wenn sie sagt: "Je länger der Verbleib in Sammelunterkünften und das Ausbleiben des Familiennachzuges währen, desto höher ist das Maß an Frustration und jeder Sorte von unvorhersehbarem Verhalten." Wenn man wolle, dass sich junge Menschen integrieren und Traumata bewältigen, "darf man sie nicht länger irgendwo hängenlassen." Die Gefahr von Kurzschlusshandlungen und von einer Radikalisierung junger Menschen nimmt m.E. enorm zu, wenn sie nicht wieder mit den in den muslimisch geprägten Kulturen besonders wichtigen Autoritäten von Vater und Mutter auf absehbare Zeit verbunden sein können. Adnan Berro, ein mir bekannter junger Syrer aus Damaskus, jetzt im Landkreis Prignitz lebend, schreibt: „Mir geht es schlecht und ich habe gesundheitliche Probleme. Ich leide an Schlafstörungen und habe Depressionen. Die tägliche Angst und Sorge um meine Familie beschäftigt mich und hat Einfluss auf meinen Alltag hier. Auch meine schulischen Leistungen werden dadurch in Mitleidenschaft gezogen. Ich lerne schlechter deutsch, da ich mich nicht richtig konzentrieren kann.“ Die Sorgen und Ängste von deutschen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, dass zu viele Geflüchtete in unsere deutsche Gesellschaft kommen wollen Sie mit Recht, besonders in Wahlkampfzeiten, ernst nehmen. Gleichzeitig müssen Sie als Innenminister alles Ihnen Mögliche dafür tun, dass kein weiterer sozialer „Sprengstoff“ dadurch entsteht, dass Familien auseinander gerissen bleiben. Lassen Sie uns gemeinsam dafür eintreten, dass der unschätzbare Wert familiären Zusammenlebens in unserer Gesellschaft erhalten bleibt! Als bekennender christlicher Politiker haben Sie meine Unterstützung bei der Gestaltung der Integration sowohl von sozial Benachteiligten in unserer deutschen Gesellschaft als auch der Geflüchteten aus den Krisen-und Kriegsgebieten dieser Welt. Die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen und politisch Verfolgten muss dabei eine gesamteuropäische Aufgabe sein.
Mit freundlichen Grüßen Pfarrer Johannes Kölbel