Osterbrief 2020
Ein Gruß zum Osterfest 2020 von Pfarrer Johannes Kölbel
Liebe Mitchristen,
ich grüße Sie alle mit diesem Brief, sehr persönlich, von Haus zu Haus.
Wir erleben alle in diesem Jahr ein sehr ungewöhnliches Ostern und noch nie dagewesene Tage.
Ich bin froh, dass wir mit der Bibel, mit den Zeugnissen und den Liedern des Glaubens eine Möglichkeit haben, unsere Erfahrungen heute mit denen der vor uns gelebten Glaubensgeschwistern so in Verbindung zu bringen, dass Trost, Hoffnung und Kraft entstehen können.
„Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen. Er hilft uns frei aus aller Not, die uns jetzt hat betroffen. Der alt böse Feind mit Ernst er's jetzt meint, groß Macht und viel List sein grausam Rüstung ist, auf Erd ist nicht seins gleichen....“ schreibt Martin Luther in schweren Auseinandersetzungen der Reformation 1529, auf der Grundlage des 46. Psalmes. Ich fühle mich von seinen Worten sehr berührt. Es sind nicht einfache Durchhalteparolen und es ist keine Panikmache. Es ist ein erfahrenes und gelebtes Gottvertrauen, verbunden mit der mutigen Tat.
Ich muss jetzt tun was ich tun kann:
Abstand halten und möglichst wenige direkte Kontakte zu Einzelnen pflegen. Das fällt Ihnen und mir zunehmend schwer. Gut, dass wir das Telefon und das Internet haben! Auch über die Ostertage versuche ich viele Telefonate zu führen um ein Lebenszeichen zu geben.
Meine Nummer: 0160-97919454 oder die email-Adresse: können Sie gern benutzen. Wir müssen alle mal ein Wort loswerden und brauchen die Ermutigung, wenn uns die Decke auf den Kopf zu fallen droht und uns eine tiefe Traurigkeit befällt.
Wir können und dürfen uns nicht in den Kirchen treffen.
Auf die Gottesdienste habe ich mich, wie Viele von Ihnen auch, gefreut. Schade.
Ich finde: Unsere Kirchen sollen über die Ostertage und darüberhinaus sooft wie möglich offen sein für die, die die Stille und die Gottesnähe suchen. Gott wacht mit uns über sein und für die Menschen offenes Haus!
Das Gebet verbindet uns untereinander und mit Gott. Es ist eine gute Form herzlicher Gemeinschaft mit Abstand, ohne Mundschutz und ohne ein Blatt vor den Mund nehmen zu müssen.
Im Fernsehen oder im Internet können Sie über Ostern verschiedene Gottesdienste mit vielen Anderen feiern.
Wir gehen und leben mit Jesus, mit dem Loslassen und Verabschieden all dessen, was uns auch zu Ostern bisher so wichtig war.
Wir leben mit Jesus in kleinen häuslichen Gemeinschaften, beim Essen und Trinken und hören von ihm: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter Euch!“ Ein freier Stuhl zwischen uns am Tisch kann symbolisieren: Da sitzt Jesus mit am Tisch.
Am Gründonnerstag gedenken wir der Ermordung des glaubwürdigen Christen und Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer am 9.4.1945 im KZ Flossenbürg. Und in dunklen und einsamen Stunden kann er uns ermutigen mit seinem Bekenntnis:
„Ich glaube, daß Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. Ich glaube, daß Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen....“
Wir haben die Angst vor einer auch tödlich verlaufenden Ansteckung und hören aus dem Alten Testament im Buch des Propheten Jesaja von Gott:
„Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein!“ Wir alle sind und bleiben in Gottes Hand und können nicht tiefer fallen, komme was da wolle!
Wir trauern besonders um die vielen namenlosen und unsere Toten am Karfreitag, klagen mit Jesus am Kreuz und dem Psalm 22:
„Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?...“ und erfahren dabei in der Natur:
Wenn das Weizenkorn in die Erde fällt, scheint es wie tot zu sein. Und nach ein paar Tagen zeigt es frisches Grün und später Ähren für unser Brot.
Jesus sieht sich selbst als dieses Weizenkorn. In unbegreiflicher Liebe für uns nimmt er den Tod inkauf. Am stillen Ostersamstag liegt er nach seinem grauenvollen Tod am Kreuz tot im geschlossenen Grab.
Am Ostersonntag könnendie Kinder im eigenen Garten oder mit gutem Abstand auf der nahegelegenen Wiese die Ostereier suchen und finden. Und ich freue mich auf ein schönes Bier nach der alkoholfreien Passionszeit! In den Gottesdiensten wird es gesungen und es wird seit mehreren tausend Jahren erfahren: „Christ ist erstanden von der Marter alle...!“
Ich wünsche Ihnen und uns allen nun die tägliche Kraft und die Hoffnung des Glaubens: Jesus Christ lebt. Und wir können leben, aufstehen und weitergehen, durch die Corona-Krise hindurch, zu neuer Gemeinschaft, zu herzlicher Nähe, zu einer lange vermissten Umarmung, einem Kuss oder einem Händedruck!
Alle, die über die Ostertage für uns arbeiten müssen, verdienen jetzt unseren besonderen Dank und Respekt!
Gott schütze Sie, Ihre Lieben und unsere Mitmenschen in der Ferne!
Herzlich grüßt Sie Ihr Pfarrer Johannes Kölbel